2. Lehreinheit

From DHVLab

Karten als Medium der Visualisierung historischer Daten

Karten eignen sich in besonderer Weise dazu, komplizierte Sachverhalte anschaulich darzustellen[A 1]. Wenngleich eine Karte zunächst einmal eine zweidimensionale Darstellung eines dreidimensionalen Raumes ist - was notwendigerweise eine gewisse Reduktion mit sich führt - stellt sie für die historische Forschung eine komplementäre Ebene dar, die Historikern die Möglichkeit bietet, Wissenssammlungen ansprechend zu visualisieren[A 2]. Diese geographische Dimension rückt in den vergangenen Jahren durch die digitalen Möglichkeiten verstärkt in den Fokus der Wissenschaft[A 3], die sich bis dato den Vorwurf gefallen lassen musste, die "spatial dimension" zu vernachlässigen[A 4].

Grundlegendes zu Karten

  • Vektorgraphenmodell: Grundlage jeder georeferenzierter Darstellung ist das geographische Koordinatensystem, auch Vektorgraphenmodell genannt. Bei den Koordinaten handelt es sich um eine Kombination aus Längen- (0-180°, in Richtung West und Ost) und Breitengraden (0-90°, in Richtung Nord und Süd). Ihr Schnittpunkt ergibt jeweils einen Punkt auf der Karte, der jegliche Form von Information beinhalten kann.
  • Linien: Zwei oder mehrere miteinander verbundene Punkte ergeben eine Linie. Während bei Linien der Breitenwert keine Aussage besitzt, ist der Abstand zwischen zwei Punkten für die Länge der Linie entscheidend. Flüsse, Grenzen oder Straßen sind beispiele für Linien.
  • Polygone: Eine Gruppe von verbundenen Linien stellen ein Polygon dar, welches einen Bereich umfasst und damit eine geographische Fläche, z.B. ein Territorium, definiert.
  • Folgende Informationen sind Grundbestandteil einer jeden Karte:
    • Kartentitel
    • Legende (welche Symbole finden in der Karte Anwendung)
    • Einnordung der Karte (durch einen Pfeil oder eine Kompassrose)
    • Maßstabsangabe (z.B. 1:250 000 = "Ein Zentimeter in der Karte entspricht 250 000 Zentimetern in der der Wirklichkeit")
    • Beschriftungen (z.B. bei Flüssen, Städten, Straßen)
  • "Layer": Die vorgenannten Informationen sind in einer vorgefertigten, um geographische Informationen angereicherten Karte (z.B. Google Maps, Open Street Map) bereits vorhanden. Man spricht hier von einem sogenannten "Layer".
  • Es ist möglich, alte Karten(ausschnitte) in GIS-Systeme einzubinden. Wichtig ist die anschließende Georeferenzierung (= Verknüpfung mit Koordinaten) markanter Punkte, um die geographischen Angaben der alten Kartenansicht mit denen des Layers in Übereinstimmung zu bringen.
  • Es gibt mittlerweile eine wachsende Zahl an Portalen für alte Kartenansichten, z.B.:

Beispiele für in Karten visualisierte Datensammlungen

Dass die kartographische Visualisierung (historischer) Informationen immer beliebter wird - und es somit sinnvoll erscheint, den Weg dorthin zu erlernen - soll anhand einiger ausgewählter Beispiele gezeigt werden:

→ all diese Projekte basieren auf strukturierten Datensammlungen[A 5]. Manche von Ihnen verwenden zur Darstellung die Google Maps API, andere das Pendant Open Street Map.

Entscheidung für die Verwendung von Google Maps

  • Es gibt eine schier unüberschaubare Zahl an GIS-Software (GIS = Geo Informations System) auf dem Markt
    • Manche davon sind sehr leistungsstark, jedoch auch entsprechend kostspielig (// Beispiel ergänzen!)
    • Manche sind zwar kostenlos, jedoch auch im Umfang ihrer Möglichkeiten eingeschränkt (z.B. Dariah GeoBrowser)
    • Allgemein gilt: Man sollte sich möglichst nicht von (non-)proprietärer Software abhängig machen, sondern sich das notwendige Know-How aneignen, mit dem die Erstellung unabhängig von der verwendeten Software erfolgen kann → daher fällt die Wahl auf die Google Maps API, da hier mit HTML/JavaScript ein qualitatives und funktional umfassendes Ergebnis erzielt werden kann.
    • Auch der Einsatz von Open Street Map (OSM) als Alternative zur Google Maps-API wäre denkbar, jedoch hält OSM beispielsweise nicht die Möglichkeit bereit, in den Street View-Modus zu gelangen. Letzteres erscheint vor dem Hintergrund der Visualisierung von Grabstätten jedoch erstrebenswert.

Diskussion der Datengrundlage

Lauro liste.jpg

Ergebnisse der Diskussion mit den Kursteilnehmern:

  • Gedruckte Version:
    • Anordnung erfolgt alphabetisch, geordnet nach Namen des jeweiligen Habsburgers
    • Namensformen unterscheiden sich jedoch zuweilen (z. B. taucht die Bezeichnung "Ernst" und "Ernst der Eiserne" für dieselbe Person auf)
    • Statisch, d.h. keine Möglichkeit, die Personen nach anderen Kriterien anzuordnen (z. B. Bestattungsort, Sterbejahr, Rang etc.)
    • Fehlende Durchsuchbarkeit
    • Zusammenhänge zwischen einzelnen Personen können nicht dargestellt werden
    • Strukturierte Anordnung in Tabellenform, die jedoch keinen Spielraum für eine visuelle Darstellung bietet (z. B. Einbindung von Abbildungen, weiterführenden Informationen)
  • Geplante digitale Visualisierung als Karte:
    • Anordnung dynamisch, je nach Auswahlkriterium des Benutzers
    • Interaktiv, d.h. es besteht die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, welche Datensätze und welche zugehörigen Informationen angezeigt werden sollen ("zeige alle Personen, die in XY begraben sind", "Zeige nur Personen, die im 18. Jahrhundert gelebt haben")
    • Zusammenhänge zwischen einzelnen Personen können dargestellt werden ("zeige die Grabstätten der Nachfahren von Person XY")
    • Anzeige von Netzwerken (z.B. Verwandschaftsbeziehungen)
    • Visuell ansprechende Gestaltung in Form einer Karte u.a. mit der Möglichkeit, an die ermittelte Begräbnisstätte via Google Street View heranzuzoomen.
    • Mehrwert an Information durch Einbindung in die digitale Wissenschaftsinfrastruktur (d.h. Anreicherung mit Metainformationen wie Ortsinformationen, Kaiserhof-Projekt-ID, Normdaten wie GND, VIAF und NDB, Wikidata, Wikipedia-Einträge etc.)
    • Einbindung von Abbildungen der Grabdenkmäler und/oder der Personen


Fazit: Es handelt sich um eine reichhaltige Datenquelle, die durch die Begrenzungen des Mediums 'gedrucktes Buch' jedoch nicht in der Intensität ausgeschöpft werden kann, wie es für den Historiker wünschenswert wäre. Die strukturierte Aufnahme der Forschungsdaten, ihre Anreicherung um Metadaten und zusätzlichen Informationen sowie die Vernetzung mit bestehenden Online-Angeboten verspricht eine erhebliche Steigerung des Mehrwerts der Datensammlung. Neben dem Zugewinn an Interaktivität, Benutzerfreundlichkeit und visuell ansprechender Gestaltung können aus den genannten innovativen Features nicht zuletzt neue wissenschaftliche Fragestellungen erwachsen.

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Anmerkungen

  1. Vgl. A GIS (Handbuch) (// bibl. Daten ergänzen!), S. 6: "Understanding the geographical space in which human history occured is an important part of understanding that history, and GIS allows historians to fill in that gap."
  2. Eine gute Einführung in das Themenfeld Georeferenzierung bietet: Linda L. Hill, Georeferencing: The Geographic Associations of Information. Cambridge u.a. 2006 (Paper 2009).
  3. Vgl. bspw. die Tagung "Creating Spatial Historical Knowledge" am Deutschen Historischen Institut Washington, Oktober 2016, oder auch den dhmuc-Workshop an der BAdW München im Juli 2017.
  4. Vgl. A GIS (Handbuch), S. 6: "Human history necessarily includes a spatial dimension, which historians often overlook."
  5. Vgl. A GIS (Handbuch), S. 7: "A GIS is a specialised form of a database because each item of data...is linked to a coordinate-based representation of the location that the data refers to. Thus, GIS combines spatial data in the form of points, lines, polygons, or grid cells, with the attribute data held in conventional database form."