Folgende DHVLab-Komponenten werden verwendet:
Quellenbasis:
Urkunden aus der Lehrsammlung
der Abteilung für Historische Grundwissenschaften und Historische
Medienkunde der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Ziel:
Die Geschichtswissenschaften befinden sich wie alle
Geisteswissenschaften derzeit in einem tiefgreifenden Wandel durch die
Digitalisierung. Innerhalb der Geschichtswissenschaften hat der
digital turn insbesondere die Disziplin der
Historischen Grundwissenschaften erfasst.
Was sind die Gründe, die schon relativ früh zu einem Einsatz
digitaler Methoden in den Hist. Grundwissenschaften führten?
Innerhalb der Grundwissenschaften waren es die Diplomatik und die Editorik, die schon frühzeitig auf den Einsatz digitaler Methoden setzten.
Darauf aufbauend kann die These formuliert werden, dass die Editionswissenschaft der erste geisteswissenschaftliche Bereich ist, in dem der Zusatz "Digital" gestrichen werden kann, da das digitale Edieren mittlerweile zur Normalität geworden ist. Daher stellt sich in der Regel weniger die Frage "ob" digital, sondern "wie".1
Der digitale Wandel spiegelt sich auch auf dem
geisteswissenschaftlichen Arbeitsmarkt wieder.
Mitarbeiter, die für neu beginnende Editionsprojekte gesucht werden,
müssen immer häufiger neben fundierten Kenntnissen aus den Bereichen
Paläographie, Diplomatik und Editorik auch grundlegende IT-Kenntnisse
vorweisen.
Folgende Grafik (Quelle: Auswertung des Portals
HSozKult; Stand 1. Halbjahr 2017) zeigt Stellenausschreibungen (blau),
in denen sich Hinweise auf die Bereiche "Edieren" und "digitale
Methoden" im Anforderungsprofil gleichermaßen finden, anteilig an der
Gesamtheit der Stellenausschreibungen (orange), die sich auf den Bereich
"Edieren" beziehen:
Aufgaben:
Hinweise zur
Benutzung:
Im Rahmen der Lehrveranstaltung wird von jedem Teilnehmer eine Urkunde aus der instituseigenen Lehrsammlung bearbeitet. Daher wurde zunächst danach gefragt, welche grundwissenschaftlichen Lehrsammlungen es im deutschsprachigen Raum gibt und welches die verbindenden Charakteristika dieser Sammlungen sind. Gleichzeitig wurde die Lektüre des einschlägigen Aufsatzes von Arnold Esch (Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall) besprochen und dabei diskutiert, inwiefern die darin getroffenen Aussagen auf Lehrsammlungen zutreffen.
1. Lehrsammlungen besitzen einen didaktisch ausgerichteten
Charakter (einschlägiges Material)
2. Provenienz-
und Pertinenzprinzip sind auf sie nicht anwendbar
3. Die
Zusammensetzung von Lehrsammlungen geht oft auf
dieSammelinteressen ihrer Begründer zurück
4. Es handelt sich bei den darin befindlichen Stücken oft um Stücke,
denen wenig "historischer Wert" beigemessen wurde
(Überrest)
5. Dadurch, dass es sich häufig
um kassierte oder später anderweitig verwendete Stücke handelt, kann -
mit Blick auf die Kernaussagen von A. Esch - die These aufgestellt
werden, dass sich in Lehrsammlungen zahlreiche Stücke finden, die ohne
den Überlieferungszufall, dem sie den Eingang in diese Sammlungen
verdanken, vermutlich nicht überliefert worden wären
→
Gerade vor diesem Hintergrund erscheint ihre Edition
für den Historiker interessant und lohnend, da sie
einen Blick in das 'alltägliche Leben' werfen, welches hinsichtlich der
Überlieferungschance stets "benachteiligt"6
war.
Das digitale Edieren ist eine Fortführung des klassischen Edierens.
Zusätzliche (digitale) Kompetenzen sind erforderlich - das Handwerkszeug
der historisch-kritischen Textwiedergabe bleibt jedoch auch im digitalen
Raum unerlässliche Grundlage.
"
Nie aber
wird ein auch nur maßvoll normalisierter Editionstext, der allein im
Druck greifbar ist, leisten können, was durch eine digitale Edition
ermöglicht wird."1
Eine digitale Edition zeichnet aus, dass sie nicht nur im digitalen Raum vorhanden ist, sondern einem digitalen Paradima folgt. Die editorische Arbeit folgt dabei der Vorgabe, "die Edition von Grund auf neu zu denken."2 Patrick Sahle zufolge werden digitale Editionen nicht mehr nach den Vorgaben traditioneller Druckausgaben gedacht, sondern unmittelbar in den Strukturen einer digitalen Umgebung entworfen (born-digital). Eine digitale Edition kann somit nicht ohne den Verlust wesentlicher Funktionalitäten in eine gedruckte Ausgabe übertragen werden. Nicht unter den Begriff "Digitale Edition" fällt nach dieser Definition das Onlinestellen früherer Print-Ausgaben, auch wenn sie als durchsuchbarer Hypertext angeboten werden. Beispiele:
Eine kleine Auswahl an Meilensteinen digitaler
Editorik:
Die Anzahl an Digitalen Editionen ist mittlerweile kaum noch zu überblicken. Einen Überblick bieten folgende Sammlungen:
Wie stellt sich dies im Detail dar? Im Folgenden werden die Charakteristika einer born-digital-Edition ihrem gedruckten Pendant gegenübergestellt. Welche davon können - zum Beispiel bei einer hybriden Ausgabe - in die Druckform übernommen werden, welche nicht?
Merkmal | Digitale Edition | Druckedition |
---|---|---|
Zugang | Open Access | Kostenpflichtig |
Raum | Unbegrenzt; dauerhaftes Hosting muss gewährleistet sein | Kosten steigen mit Anzahl der Seiten |
Visualisierung | Abbildung des Originals bereits heute State of the art | Faksimile-Ausgaben sind die Ausnahme |
Einsatz von Farbe | Informationen hervorheben, Kürzungen kenntlich machen | Mit erhöhten Kosten verbunden, daher nicht üblich |
Internationalität | Beschreibtexte, Regesten in mehreren Sprachen möglich | Mit erhöhten Kosten verbunden |
Merkmal | Digitale Edition | Druckedition |
---|---|---|
Durchsuchbarkeit | Suchmaske, Volltextsuche, Register | Register |
Normdaten & Metainformationen | Sofern vorhanden, stets verlinkbar | Wiedergabe ohne Interaktivität |
Interaktivität | Nutzerzentrisch: z.B. Auswahl versch. Textwiedergaben | Statisch |
Merkmal | Digitale Edition | Druckedition |
---|---|---|
Veröffentlichung | Work in Progress = frühzeitig | Finale Version |
Fortführung | Nach Veröffentlichung erweiterbar/adaptierbar (nur wenn Mittel vorhanden!) | Statisch, ggf. durch Neuauflage (Kosten) |
Renommee | Anbindung an Institution wichtig; Verantwortlichkeiten klar benennen | Verlag/Verlagsort fungiert als Qualitätsschranke |
Merkmal | Digitale Edition | Druckedition |
---|---|---|
Perspektive | Multiperspektivität (Historiker und Sprachwissenschaftler) | Monoperspektive (ausKostengründen) |
Logische Struktur | Schriftstücke werden in ihrer Gesamtheit wiedergegeben | Stücke unterliegen einer Logik der Seitenzählung |
Textkritik | Kann sehr ausführlich erfolgen | Wird ggf. durch Seitenrestriktionen vorgegeben |
Zitierfähigkeit | Referenzierung von Absatzmarken | Seitenweise Zitation |
Normalisierung | Ohne Restriktionen | Weitgehend ohne Restriktionen |
Bei digitalen Editionen liegen viele Vorteile auf der Hand:
Die Buchform stellt heute nur noch EINE Art der
Publikation von Forschungsergebnissen dar. Dies gilt insbesondere im
Bereich der Editionswissenschaft. Das gedruckte Buch bleibt für die
Fachwissenschaft auch künftig unersetzlich. Jedoch besitzen Digitale
Editionen eine Reihe an Vorteilen, die in eine gedruckten Fassung nicht
übernommen werden können. Ihnen kommt daher eine immer größere Rolle zu.
Zum Einsatz kommt im Kurs das an der LMU München durch Prof.
Dr. Mark Sven Hengerer und Dr.
Gerhard Schön entwickelte und durch eine Projektgruppe stetig weiter
verbesserte Editionstool "Squirrel".
Squirrel entstand vor dem Hintergrund, Studierenden, Doktoranden und
Wissenschaftler/-innen verschiedener Disziplinen (u.a.
Geschichtswissenschaften, Germanistik, Linguistik) ein Hilfsmittel an
die Hand zu geben, um Editionen zu erarbeiten, die sich durch hohe
Qualitätsstandards auszeichnen.
Vorteil: Durch die Anbindung des Editionstools an die
Infrastruktur des DHVLab können Studierende wie
wissenschaftlich interessierte Nutzer gleichermaßen durch einmalige
Registrierung im DHVLab das Tool nutzen. Die Daten, die im
Editionsprozess entstehen, werden dauerhaft und sicher auf den Servern
der IT-Gruppe abgelegt. Damit bietet sich gerade auch für kleinere
Projekte die Gelegenheit, ihre Daten an einem sicheren Ort und
institutionell angebunden abzulegen.
Durch Kooperationen des Entwicklerteams u.a. mit dem Centrum für
Informations- und Sprachverarbeitung (Dr.
Maximilian Hadersbeck) - kurz CIS - wird das Editionstool um
Funktionalitäten erweitert und in seiner Einsatzvielfältigkeit noch
verstärkt.
Projektwebseite
des Editionstools "Squirrel"
Benutzung des Editionstools:
! Wichtiger Hinweis: Durch die sukzessiven
Verbesserungen und Erweiterungen am Editionstool können die im folgenden
genannten Hinweise zur Benutzung Veränderungen unterliegen
!
Weitere Tipps für die Arbeit mit dem Editor:
Unter dem Reiter "Werkzeuge" ist insbesondere die Rubrik
"Korrekturstellen" von Bedeutung. Hier können Sie nach
einem Wort Ihrer Wahl suchen, um dessen Schreibweise in verschiedenen
Schriftstücken zu vergleichen, oder Fehler in der Transkription zu
identifizieren. Geben Sie das gewünschte Wort in die Suchleiste ein und
klicken Sie zum Abschicken der Suchanfrage erneut auf "Korrekturstellen"
im Menü auf der linken Seite. Es werden Ihnen nun alle
Bildausschnitte angezeigt, die Ihrer Anfrage entsprechen. Wie
in der Transkriptionsumgebung gelangen Sie durch
Doppelklick direkt an die entsprechende Stelle im
zugehörigen Schriftstück.
Die unscharfe, trunkierte Suche ermöglicht eine
entsprechende Ausweitung der Trefferergebnisse ("%der%" gibt
beispielsweise auch "oder", "andern" oder "hundert" aus). Es bietet
sich, insbesondere bei der Arbeit im Team an, ein
Zeichen für die Kenntlichmachung von
Unsicherheiten in der Lesung zu verwenden (z.B. "€", da
dieses Zeichen in handschriftlichen Texten vor Einführung des Euros
nicht existiert). Sucht man nun nach "%€%", werden alle als unsicher
markierten Worte ausgegeben. Der versierte Paläograph kann daraufhin
unsichere Fälle lösen.
Weiteren Möglichkeiten der Kennzeichnung von Unsicherheiten sind keine
Grenzen gesetzt: Beispielsweise kann die Anzahl der fehlenden
Buchstaben in einem Wort durch die entsprechende Anzahl an
Unt_rstri_hen kenntlich gemacht werden. Unsicherheiten bei
Groß-/Kleinschreibung können z.B. durch einen nach oben
gerichteten Pfeil markiert werden.
Neben den Korrekturstellen finden sich im Bereich "Werkzeuge" auch
vorläufige Personen- und Ortsregister. Diese werden
automatisch auf Grundlage der Textauszeichnungen
generiert. Geordnet nach der Reihenfolge der Markierungen in den
transkribierten Schriftstücken, werden sie jeweils mit einem
Verweis auf das zugrundeliegende Schriftstück
aufgelistet.
Zum Einstieg in die Arbeit mit dem Editionstool
dient eine Urkunde aus der Lehrsammlung der Abt. Historische
Grundwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München:
DE-LMUHGW|Urkunden|20
(1381 März 1, Wien)
Aufgabe:
Nach dem Einstieg in die Arbeit mit dem Editionstool stehen in der
folgenden Lehreinheit Lesestrategien im Vordergrund,
die bei der Annäherung an ein Schriftstück hilfreich sind.
Folgt in Kürze.